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Breadcrumbing, Ghosting, Roaching - schöne neue Dating-Welt?
Wenn miese Maschen trenden
Kaum eine Woche vergeht, ohne „neu aufkommenden Dating-Trend“. Während ich so langsam die Übersicht verliere zwischen Kittenfishing, Orbiting und Contra-Dating, befürchten andere den Untergang der Gesellschaft. Aber sind die vermeintlichen Trends tatsächlich neu? Oder nur neu aufgelegt?
Das Alphabet der Dating-Maschen wächst
Bei den ersten Dates herrscht Kittenfishing vor und wird gerne verharmlost. Job und Freizeit werden spannender dargestellt, als sie wirklich sind. Gemeinsamkeiten vorgetäuscht. Wer Kittenfishing betreibt, macht sich zumindest ein klein wenig zu einer anderen Person. In der Hoffnung darauf, Eindruck zu hinterlassen und weitere Verabredungen oder direkt eine Beziehung zu erzielen. So undramatisch es klingt: Wer sich am Anfang verstellt, legt damit die Grundlage für ein frustrierendes Ende. Nebenbei wird auch noch die Zeit desjenigen verschwendet, der auf die Schauspielerei hereinfällt.
An dieser Stelle kommt nicht selten Ghosting ins Spiel. Der vollständige und unbegründete Kontaktabbruch kann eine direkte Folge davon sein, dass die Schwindelei des Kittenfishers aufzuliegen droht. Statt sich die Blöße zu geben, wird lieber geschwiegen und nicht mehr auf Nachrichten reagiert. Allerdings kann es ebenso am vorherigen Roaching liegen.
Dieser Begriff kommt von Cockroach – also Kakerlake – und beschreibt das heimliche Dating mehrerer Personen. Wirklich passend ist die Bedeutung jedoch nicht, denn sie soll daran erinnern, dass bei einer sichtbaren Kakerlake noch zahlreiche weitere Krabbelviecher in den dunklen Ecken lauern. Kakerlaken kommen nicht allein. Der menschliche Roacher bringt aber keine Gleichgesinnten mit, sondern führt mehrere Dating-Partner hinters Licht. Vielleicht liegt es auch daran, dass dieser vermeintliche Trend noch einen zweiten Namen trägt: Cookie-Jarring. Das Keks-Dosen klingt zwar gleich viel netter, ist aber dennoch zumindest potenziell ein Vertrauensmissbrauch. Das gilt vor allem dann, wenn Exklusivität oder zumindest eine Beziehungsabsicht vorgegaukelt werden.
Bei dem Stichwort Beziehung geht es in die Gefilde von Breadcrumbing, Vulturing und Scrooging. Wird nur (noch) hin und wieder Aufmerksamkeit geschenkt? Ein nettes Wort alle paar Wochen, während dazwischen Funkstille und Ignoranz herrschen? Das absolute Minimum an Aufwand für einen Dating-Partner oder eine Beziehung zu leisten, ist keine Seltenheit. Breadcrumbing beschreibt diesen Zustand, in dem der andere mit Brotkrümeln bei Laune gehalten wird. Und dabei auf Dauer emotional verhungert. An dieser Stelle könnte der passende Moment für Vultures gekommen sein. Immerhin warten diese auf den Moment, wenn eine Beziehung in die Binsen geht oder zumindest immense Unzufriedenheit in einer Partnerschaft herrscht. Ist das Objekt ihrer Begierde dadurch gerade verletzlich und somit leichter zu verführen, schlagen sie zu. Ins Extreme getrieben warten sie nicht nur darauf, dass ein Konflikt in der Beziehung zum Bruch führt. Sie soufflieren und manipulieren fleißig, um aus einem kleinen Zwist einen kompletten Waldbrand zu kreieren. Und im Anschluss der Retter zu sein.
Geduldige Exemplare verzichten darauf und hoffen, dass das Scrooging ihnen zu Hilfe kommt. Die Trennung kurz vor Feiertagen oder besonderen Anlässen erspart dem Schlussmacher die Geschenkesuche und die Investition in eine Beziehung, in die er nicht mehr investiert ist. Oft genug fällt das Ende besonders kurz vor Weihnachten, Valentinstag oder Geburtstag und verleiht ihnen einen ordentlichen Dämpfer. Prokrastination und Feigheit lassen grüßen. Aber kommen wir endlich zur entscheidenden Frage. Geht die Dating-Welt zugrunde?
Zwar im Trend, aber alles andere als neu
Kittenfishing – also das leichte Übertreiben und Verstellen am Anfang – ist alles andere als neu. Ein wiederbelebter Trend ist es auch nicht. Es ist nie aus der Mode gekommen. Das einzig Neue daran? Der Name!
Roaching war einmal als „sich Optionen offenhalten“ oder auch als Fremdgehen bekannt. Der überraschende und vollkommen unbegründete Kontaktabbruch namens Ghosting war schon immer das Markenzeichen von unreifen Menschen, denen Empathie und Rücksichtnahme fehlt. Oder der Mut, zumindest eine Erklärung abzugeben.
Die scheinbar neuen Trends sind auf den zweiten Blick Dating-Maschen, die vermutlich so alt sind wie das Dating selbst. Mit einem neuen Namen versehen und als Trends dargestellt, rücken sie stärker ins allgemeine Bewusstsein. Vielleicht werden sie sogar häufiger angewendet. Immerhin erscheinen sie durch ihre Allgegenwärtigkeit schon fast legitim. Dabei handelt es sich nur um einen weiteren Trugschluss unter vielen.
Sind Dating-Trends toxisch?
Das Wort „toxisch“ begegnet uns mittlerweile wie Konfetti an Karneval. Einerseits ist es richtig und wichtig, Verhaltensweisen und Menschen zu erkennen, die uns schaden. Andererseits tun wir uns und anderen keinen Gefallen mit der inflationären Verwendung von Begriffen wie toxisch, Gaslighting und Narzisst.
Setzen wir sie immer wieder und in den meisten Fällen falsch ein, verwässern sie dabei. Sie erscheinen ebenfalls eher als Trend, denn als Tatsache und werden immer seltener ernst genommen. Daher gilt auch bei den Dating-Maschen, Vorsicht walten zu lassen.
Sie können uns durchaus schädigen, wenn wir die Manipulation dahinter nicht erkennen oder zu schnell eine emotionale Bindung eingehen. (Er-)kennen wir sie jedoch, sind sie praktische Warnzeichen und ausgesprochen hilfreich dabei, uns die falschen Menschen von Anfang an vom Hals zu halten. Dazu müssen die Maschen nicht toxisch sein. Es reicht aus, wenn sie auf enorme Unsicherheit, Unentschlossenheit oder unerwünschte Absichten hinweisen.
Wissen und Selbstschutz sind Macht
Um Dating-Maschen und die Absichten dahinter zu erkennen, müssen sie zunächst bekannt sein. Von A bis Z – das Alphabet der Dating-Maschen verrät dir, welche Methoden die Runde machen und wo Vorsicht angeraten ist. Außerdem gibt es Einblicke in die Gründe für Negging und Co.
Gemeinsam mit einem wirkungsvollen Selbstschutz schafft dieses Wissen die beste Basis dafür, sicher durch die Dating-Welt zu gehen.
Autorin Jessika Mueller